180 Grad

Foto-Installation
im
öffentlichen Raum
von Jena









Ein Projekt der
Imaginata
von Jens Rißmann und
Robert Krainhöfner







vom 15.September bis
13.Oktober 2002
       
 
180 Grad

Ausführung:

Ein s/w Foto in der Größe 25 x 25 cm wird auf einer roten Stahlplatte vor einer Jenaer Sehenswürdigkeit platziert. Auf dem Foto ist die Ansicht der Seite zu sehen, die der Sehenswürdigkeit gegenüber liegt (180 Grad).

Idee:

Die Arbeit 180 Grad beschäftigt sich mit dem Kennenlernen einer Stadt über das Medium Fotografie. Die Installation nimmt konsequent eine gegenüberliegende Ansicht einer "Sehenswürdigkeit" auf und stellt diese vor die "Sehenswürdigkeit". Somit entsteht eine objektive Fotografie von der Ansicht gegenüber, allein mathematisch bestimmt durch die 180 Grad. Der Betrachter wird nicht von bewusst geschaffenen Ausschnitten zum Zweck einer Werbestrategie beeinflusst. Er wird aufgefordert hinter sich zu schauen und sich ein eigenes Bild zu schaffen. Dabei geht es um Bilder im Kopf, um das Aufspüren von Atmosphären und "Nebensächlichkeiten". Unser Leben ist sehr visuell geprägt, so dass wir uns sehr von Bildern leiten lassen, die zudem gezielt vorgegeben sind und eine Absicht verfolgen. Dieses Phänomen soll hinterfragt werden und zu eigenem Handeln anregen.

Hintergründe:

Physiologisch gesehen, ist es dem Menschen nicht möglich (ohne Hilfsmittel) gleichzeitig nach vorn und nach hinten zu schauen. Das zentrale Gesichtsfeld eines gesunden Erwachsenen, in dem noch scharf und in Farbe gesehen werden kann (ohne Augenbewegungen), beträgt zirka 30 Grad. Das Blickfeld mit Augenbewegung beträgt horizontal zirka 180 Grad und vertikal zirka 60 Grad. Nur in der Mitte des zentralen Gesichtsfeldes sehen wir scharf und in Farbe, am Rande unseres Gesichtsfeldes nehmen wir Gegenstände nur noch schwarz-weiss war. Anthropologen nehmen an, dass diese Seheigenschaften für unsere Vorfahren überlebenswichtig waren. Urmenschen konnten so einen herannahenden Feind sofort bei Eintritt in ihr Blickfeld bemerken und entsprechend reagieren. Auch für uns heute sind diese Eigenschaften z.B. beim Autofahren von überaus großer Bedeutung. So gesehen, ist unsere Welt, die wir im Alltag wahrnehmen, gar nicht einheitlich bunt und auch nicht vollständig. Vielmehr müssen wir feststellen, dass was sich hinter uns befindet und wir nicht sehen können, unser Gehirn re-konstruiert (Bilder im Kopf) und das, was wir sehen können, wir nur im Zentrum scharf und farbig sehen.

Was soll nun unsere Foto-Installation bewirken? Unsere Fotoinstallation soll einen Kontrapunkt zur herkömmlichen "verhübschenden" und idealisierenden Werbefotografie setzen. Nehmen wir bspw. einen gewöhnlichen Stadtführer oder ein Reiseprospekt zur Hand, so stoßen wir hier fast ausschließlich auf Abbildungen, die versuchen, dem Betrachter eine Welt zu suggerieren, die wir, wenn wir uns tatsächlich an den abgebildeten Ort begeben, nicht leicht wiedererkennen. Die Bildausschnitte in den Katalogen sind in der Regel bewusst idealisiert, um beim Betrachter den Eindruck entstehen zu lassen, dass das Ferienhaus im Grünen liegt und der Badestrand abgelegen und menschenleer ist, obwohl sich in der Saison dort hunderte Menschen tummeln und vor dem Ferienhaus der Verkehr einer Bundesstraße entlangfließt. In unserem Projekt möchten wir bewusst mit dieser "Tradition der Täuschung" brechen, indem wir konsequent unsere Kamera von der "Sehenswürdigkeit" um 180 Grad abwenden, die Gegenseite abbilden und beide Seiten miteinander in Beziehung setzen. Wir betonen nicht die Vorder- und Rückseite eines Gebäudes, sondern die "Vorder- und Hinteraussicht" des Betrachters.